Es mag banal klingen, ist aber gleichwohl richtig:

Die digitale Kirche kann viel erreichen – wenn sie denn viele erreicht.

Und gerade das Reformationsjubiläum führt vor Augen, welchen Erfolg die Wahl der richtigen (neuen) Medien mit sich bringen kann:
Eingängige und provokante Sprache; die Wahl der Druckerpresse sowie das Umdichten von Ohrwürmern – das Mediengenie Luther wusste seine Möglichkeiten zu nutzen.

Was kann also eine digitale Reformation bedeuten? Für die Kirche und für die, die ihre Kommunikation prägen?

Digitale Reformation – analoge Vorzeichen

Unsere Gesellschaft befindet sich in einem medialen Wandel – bei dem die Kirche gerade nur schwer Schritt hält (wenn sie sich nicht auch manchmal verläuft …).

Darüber wurde viel geschrieben. Auch von uns. Und der Tenor scheint eindeutig:

Der Weg zur digitalen Kirche führt über eine digitale Reformation.

Doch bisher wurde nur wenig über einen elementaren Faktor für eine digitale Kirche gesprochen: die analoge Kirche.

Denn unabhängig von Budget-Festsetzungen, Personal-Abstellungen und digitalen Agenden ist die real existierende Kirche aller Ebenen schon jetzt bedeutend für den Erfolg der digitalen Kirche in einigen Jahren. Doch auf andere Art und Weise, als man glauben mag.

Um das genauer zu verstehen, werden wir zuvor jedoch einige Grundlagen klären müssen:

Sie werden schlussendlich sehen: digitale Kirche wird schon jetzt analog vorbereitet!

 

Digitale Reformation oder digitale Transformation?

Vorab die Frage: Muss sich die Kirche für das Digital neu aufstellen (re-formieren) oder umwandeln (trans-formieren)?

Als Kommunikations-Praktiker mit einem Master-Abschluss in Theologie würde ich persönlich immer sagen: Neu aufstellen.

Denn es geht bei Kirche nicht um ein entweder–oder von digital und analog. Und auch nicht um ein alt (im Sinne von überalterten Mitteln) und neu. Es geht um eine ausbalancierte Gleichzeitigkeit.

Genauso wie Menschen immer noch in Kinos oder Theater gehen, obwohl es Netflix gibt. Und trotz der jahrelangen Abgesänge auf den traditionellen Buchhandel beherrscht Amazon noch nicht einmal 17% des Buchmarkts. So viel zur vielzitierten Disruption durch die Digitalisierung.

Der gedruckte Gemeindebrief dürfte das wirkungsvollste Kommunikationsmittel einer jeden örtlichen Kirchengemeinde sein. Immer noch! Aber ihm folgt mittlerweile die Homepage!

Digitale Reformation bedeutet aus kommunikativer Sicht deshalb vor allem:
Digitale Handlungsfelder müssen neben die bereits existenten analogen Handlungsfelder treten. Nicht die Handlungsfelder müssen sich grundlegend wandeln….

Ein Seelsorge-Gespräch bleibt ein Seelsorge-Gespräch, ganz gleich ob via Telefon oder Skype.

Mitarbeiter-Koordination bleibt Mitarbeiter-Koordination – unabhängig davon ob per Telefon, E-Mail, WhatsApp oder ChurchDesk.

Es bedarf also keiner Veränderung von Grund auf, auch keiner digitalen Revolution innerhalb der Kirchen. Sondern des partiellen Umdenkens, des Einräumens neuer Zeit-, Personal- und Geldmittel und Vertrauen zu den neuen Wegen. Denn das „Kirchenvolk“ ist bereits längst im digital angekommen.

Worin bestehen also kirchliche Handlungsfelder im World Wide Web?

 

Handlungsfelder einer digitalen Kirche

Die Digitalisierung hat vier zentrale Einflussbereiche auf die Kirche, in denen neue Maßnahmen zu den alten treten werden müssen, will man der digitalen Lebenswelt entsprechen:

Oder wie im Vorgänger-Artikel schon zitiert: Es bedarf der Kirche im Digitalen – aber auch des Digitalen in der Kirche!

An dieser Stelle soll die interne, digitale Verhasstheit nicht weiter verfolgt werden. Das Augenmerk wird viel eher auf der digitalen Kommunikationssteuerung liegen. Und da haben sich zwei gegensätzliche Ansichten durchgesetzt.

 

Digitale Kommunikation mit System managen

In der jüngeren Vergangenheit erfreuen sich zwei Ansätze in Bezug auf digitale Kommunikation konstanter Beliebtheit. Interessanterweise handelt es sich dabei um einen deduktiver und ein induktiver Betrachtungswinkel.

Der eine ist der Ansatz der 360 Grad-Kommunikation, manchmal auch integrierte Kommunikation genannt. Ziel ist es hier vereinfacht gesagt, in alle Richtungen zu kommunizieren, möglichst viele Kanäle konsistent zu »bespielen« und die verschiedenen Medien in den kommunikativen Auftritt zu integrieren. Man könnte auch sagen, dies ist ein deduktiver Ansatz, weil er das Spezielle (Medium) vom Allgemeinen („Markenauftritt“) her denkt. Digitale Kommunikation ist in dieser Sender-zentrierten Denkweise ein Baustein neben vielen anderen.

Die Customer Journey hingegen konzentriert sich auf die jeweiligen relevanten Kontaktpunkte und plant anhand dieser die Interaktion mit dem Empfänger. Die Kette der einzelnen Kontaktpunkte bildet eine »Reise« des Kunden – die Customer Journey. Dieser Ansatz folgt induktiv dem Empfänger – und ist vom Mitteleinsatz her deutlich Effizienz-orientierter. Digitale Kommunikation kann hier elementarer Bestandteil sein, oder auch nicht – je nach Produkt und Zielgruppe. Für den örtlichen Dachdecker-Betrieb dürfte bspw. Suchmaschinen-Optimierung viel sinnvoller sein als ein gut gepflegter Facebook-Account. Eine gut gelegene Bäckerei braucht wahrscheinlich beides nicht.

Ein Beispiel zur Verdeutlichung:

Geht man von der Customer Journey aus, dürfte für einen Hersteller von Rohrreiniger Social Media kein relevanter Kontakpunkt sein. Kaum ein Kunde trifft solche ungewöhnlichen Kaufentscheidungen im Vorfeld, sondern meist vor Ort im Laden. Hier sind Plakate, Produktpräsentationen, Aufsteller und Angebote die viel relevanteren Kontaktpunkte als ein gut gepflegter Instagram-Account. Ginge man jedoch von einem 360° Ansatz aus, wäre auch im Netz auf einen konsistenten Markenauftritt zu achten, vielleicht unter einer starken Dachmarke.

Für einen Limo-Hersteller hingegen dürften die sozialen Medien eine hohe Relevanz besitzen, da ein großer Anteil der Zielgruppe dort aktiv ist und solche alltäglichen Konsummarken von der »Kraft der Marke« profitieren, die im Vorfeld aufgebaut wurde.

Welcher Ansatz ist für die Kirche sinnvoller?

Beide Ansätze haben sich bewährt und sind somit nicht zu unrecht verbreitet. Wobei naturgemäß eine »Rundum«-Kommunikation vieler Mittel und Ressourcen bedarf – und deswegen vor allem bei großen Marken oder größeren Agenturen Verwendung findet.

Die auf Effizienz bedachte Kommunikation entlang der Customer Journey hingegen ist auf hohen Erfolg ausgelegt und breit anwendbar – jedoch mit Vorsicht. Denn gerade eine Volkskirche sollte ihre Kommunikation breiter streuen als nur auf den vielversprechendsten Wegen.

Im Gegensatz zu den Funktionären von Bistümern und Landeskirchen können sich Kirchenpraktiker vor Ort also mit gutem Gewissen ausschließlich der systematischen Analyse des „Wegs der Zielgruppe“ zu ihnen widmen. Für die normale Ortsgemeinde reichen einige wenige Kanäle. Denn ob man Twitter nutzt und damit maximal 3% seiner Herde erreicht, ist eine deutlich andere Frage, wenn die Herde 4.000 Mitglieder zählt – oder 400.000.

Deswegen: Wenn Sie auf einer unteren Kirchenebene aktiv sind, scheuen Sie sich nicht vor dem Effizienz-Gedanken. Wenn Sie 80% des Erfolges mit nur 20% des Aufwandes erreichen können (das Pareto-Prinzip), sollten Sie dies wählen! Auf welche Kanäle Sie besonders achten sollten, um mit weniger Feuerwerk trotzdem größere Wirkung zu erzielen, verraten wir Ihnen weiter unten.

Wenn Sie einen größeren Verband vertreten, können Sie gut und gerne auch von Ihrer Botschaft her die einzelnen Kanäle andenken, die Ihnen zur Verfügung stehen. Unserer Erfahrung nach bietet es sich aber auch für Sie an, relevante „Wirkungstreffer“ zu ermitteln – und nicht jeden Kanal zu bespielen, nur weil es ihn gibt… Zumal erfahrungsgemäß auch bei den höheren Ebenen die Ressourcen auch nicht aus allen Nähten platzen…

 

Das sind die relevantesten Kanäle für die digitale, kirchliche Kommunikation

Letzte Woche haben wir an dieser Stelle eine großangelegte Studie von ARD & ZDF ausgewertet. Das Fazit lautet in kurz:

Relevant für Kirchen sind vor allem diese Kanäle (in absteigender Reihenfolge):

  1. Homepages
  2. E-Mail
  3. WhatsApp
  4. Facebook

 

interaktionskanäle
Die bevorzugten Interaktionskanäle nach Alter (Screenshot: Deutscher Marketing Verband)

Doch, wie nutzen Sie die dreißig Minuten, die sich Menschen pro Tag zielgerichtet informieren, um auch als Kirche wahrgenommen zu werden?

Aber: Wie stoßen Menschen auf digitale Kirchen?

Folgen wir einmal der Customer Journey einer digitalen Muster-Kirchengemeinde. Es ist anzunehmen, dass vor allem fünf Wege zu deren digitalen Angeboten führen:

direktes Aufsuchen (z.B. Eingabe der richtigen URL)

zielgerichtete Suche (z.B. mittels Suchmaschine)

indirekte Suche (z.B. eine thematische Suche)

indirekte Empfehlung (z.B. durch ein »Like« einer dritten Person)

gezielter Reichweitenkauf (bspw. Werbung)

Sie sehen:

Digitale Kommunikation lebt zu einem großen Teil davon, was jemand im Digital aktiv eingibt. (Oder dessen Kontakte.)

Um eine Illusion gleich vorweg zu nehmen: das direkte Aufsuchen nimmt stetig ab. Erst recht seitdem die Adresszeile der Smartphone-Browser zugleich auch das Suchmaschinen-Eingabe-Feld ist. Und Google korrigiert kleine Schreibfehler sowie Gedankenlücken. Und lässt einen bei der Seite landen, auf der man wirklich hinaus kommen wollte – statt sich mühsam durch zu klicken bis zur gewünschten Information.

Was das weiter bedeutet: Auf dem Weg zur digitalen Kirche sind Google und Facebook die Zollhäuschen, die ein Besucher sehr wahrscheinlich passieren muss.

Sie können diese Wege etwas beeinflussen: durch gute Inhalte, die viele Reaktionen hervorrufen. Oder durch Suchmaschinenoptimierung. Sie können jedoch auch dem gewünschten Besucher die Passage bezahlen – durch das Schalten von Online-Werbung, wie es die evangelische Kirche im Rheinland bspw. in einem Feldversuch ausprobiert.

Doch das beste Mittel für eine digitale Kirche, zu der online viele Wege eingeschlagen werden, ist:

eine starke „Marke“.

Denn wenn die digitale Kirche davon abhängig ist, was jemand sucht, dann entscheidet sich der Erfolg schon vor der digitalen Eingabe. Oder um es mit einer Abwandlung eines Paulus-Zitats zu sagen: Wie sollen sie wissen, was sie suchen sollen, wenn es ihnen niemand verkündigt?

Oder wie es der Vorstand der Werbeagentur Jung von Matt letztens ausdrückte: Es macht einen Unterschied, ob Sie nach Waschmaschinen suchen oder „Miele“ eingeben.

 

Was bedeutet das für die Kirchengemeinde Musterstadt?

Wenn Homepages das wichtigste digitale Kommunikationsmittel sind, dann ist es wichtig, dass viele Surfer den Weg dorthin finden – und dort alle Informationen finden, die sie suchen. Weil nur dann Google auch die Seite bei weniger spezifischen Anfragen weit oben listet.

Warum sollte jemand neben allgemeinen Anliegen (wie z.B. Kausalien) die Homepage aufsuchen? Und warum sollte jemand generell wegen Kausalen recherchieren? Weil die analoge Kirche hier (noch) als Marke wirkt!

Taufe, Kommunion/Konfirmation, Firmung und kirchliche Hochzeit sind noch stehende Begriffe und allgemeines Kulturgut. Das bedeutet auch: Erleben die Menschen die Kirche analog als relevant, wird viel öfters auch digital danach gesucht werden.

In den E-Mail-Newsletter bspw. wird sich wahrscheinlich nur jemand eintragen, der auch analog mit der Kirchengemeinde zu tun hat. Aber er oder sie will einfach auch digital auf seine oder ihre bevorzugte Art informiert werden: via E-Mail.

Das bedeutet aber auch:
Die digitale Reformation fusst zu einem wesentlichen Teil in aktiver Kommunikation im Vorfeld – auch und vor allem analog. Nachlässigkeiten hier kommen im Nachhinein über den dann benötigten Reichweiten-Zukauf teuer zu stehen. (Fragen Sie einmal bei dem erwähnten Projekt der ev. Kirche im Rheinland nach, wie teuer die „Taufwerbung“ ist…).

Oder Sie haben dann schlimmsten Falls evtl. Inhalte, die von niemandem gesucht – und ergo auch nicht gefunden werden.

Fazit: Kümmern Sie sich um Ihre „Marke“ – dann werden Sie auch digital wichtig sein!

Wenn die digitale Kirche –und danach sieht es aus– die zweite Seite der analogen Kirche wird, dann tun Sie schon jetzt gut daran, diese analoge Abhängigkeit zu nutzen.

Bauen Sie einem starken kommunikativen Profil, davon wird Ihre Gemeinde online sowie offline profitieren. Wagen Sie sich mit breitem Kreuz in das Internet – und verbinden Sie es gleichzeitig mit Ihrer bereits bestehenden Offline-Kommunikation. Folgen Sie nicht jedem Trend und jedem Kanal, aber achten Sie auf Effizienz, denn Ihre Ressourcen sind begrenzt und Sie können Ihre Zeit auch gut anders investieren als in einen wenig erfolgsversprechenden Kanal.

Dann bauen Sie eine starke digitale Kirche – auch analog.

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Einige weitere Tipps:

Wie Sie vieles davon umsetzen finden Sie bereits auf diesem Blog.

Und seien Sie versichert: mehr folgt!

Bild: Olu Eletu via Unsplash


 

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