Es tut sich etwas in der Kirchenlandschaft. Zumindest virtuell. Da wird sich nämlich angeregt über das Thema Kirche und Digitalisierung unterhalten. Angefangen hat die Diskussion Hannes Leitlein mit einem Beitrag auf zeit.de. Evtl. hängt dies auch mit einem Seminar auf dem Kongress Dynamissio zusammen.
Auf alle Fälle ist unter dem Schlagwort #digitaleKirche eine rege Diskussion entbrannt, mit allerlei Teilnehmenden. Vielleicht wurde auch noch nie so einheitlich zu einem Thema in der christlichen Bloggosphäre geschrieben. Grund genug, um einen einordnenden Blick zu wagen – besonders vor dem Hintergedanken „Und was habe ich davon?“
Worum geht es eigentlich bei #digitaleKirche?
Kurz zusammengefasst ist der Grundtenor des Startschussbeitrags „Es hätte ja so schön sein können, doch die Kirche verschläft die Digitalisierung“. Die fortschrittspessimistischen Ergüsse von Margot Käsmann zum Thema Facebook und der mittelmäßig begabte Social-Media-Umgang von Heinrich Bedford-Strohm dienen zur Illustration. Die meisten ersten Antworten haken dabei ein: manchen geht die Kritik nicht weit genug, manchen werden Fortschritte nicht gesehen und manche bezweifeln den Sinn von digitaler Gemeinschaft.
Wer mischt da alles mit? Und welche Positionen werden vertreten?
Los ging es mit Hannes Leitleins Artikel.
Dr. Werner Kleine vertritt eine leicht kulturpessimistische Perspektive und bescheinigt dem Internet, dass es kein Ort sei, an dem neutestamentliche Begegnung geschehe.
Das Netzwerk Theologie in der Kirche denkt jugendlich beschwingt Gestaltungsmöglichkeiten.
Niklas Schleicher nimmt auch die Menschen außerhalb der digitalen Avantgarde in den Blick und fügt einige theologische Betrachtungen hinzu.
Ralf Peter Reimann, Internetbeauftragter der EKiR, antwortet mit einem Gottesdienst in einer IT-Firma, bei der Social Media als Rückkopplung der via Stream virtuell anwesenden Gemeinde verwendet wurde.
Ines Hansla, die Social-Media-Managerin der Kirche Hamburg, bringt ein wenig frischen Wind aus der Sicht einer Webworkerin herein und verlangt: Nehmt euch nicht so ernst!
Queerology analysiert den sprachlich-argumentativen Stil und kritisiert die diskriminierungskritischen Perspektiven als defizitär.
Michael Grunewald, Referent der EKHN, stellt die Diskussion noch einmal aus der Sicht eines Professionellen dar.
Hanno Terbuyken sieht auf evangelisch.de das Kirchenvolk schon in der Digitalisierung angekommen und diskutiert – damit die verfasste Kirche auch einmal nachzieht – eine Residenzpflicht der Pfarrer in den Sozialen Netzwerken.
Es gibt mittlerweile ein Sammel-Pad der Gefühle…und vor allem der Ideen, wie man Digitalisierung für Kirche konkret werden lassen kann.
Und Christoph Breit von der ELKB, beschäftigt sich mit vielen altbekannten Phrasen/Gegenargumenten.
Selbst Jonas Bedford-Strohm (ja, richtig gehört) meldet sich mit einem ausgewogenen und analytischen Artikel auf zeit.de zu Wort.
UPDATE
Die Jugenddeligierten der EKD liefern Anregungen für eine digitale Agenda
Ingo Dachwitz, Medienwissenschaftler und Jugenddelegierter der EKD-Synode, übt Kritik an der Scheu vor den Sozialen Netzwerken.
Das Social-Media-Team der Hannoverschen Kirche setzt sich mit den Vorschlägen der Jugenddeligierten auseinander – und liefert wertvolle Einsichten von PraktikerInnen.
Inga von Thomsen fordert von Hauptamtlichen: Ran an die Geräte!
Christian Brecheis ermutigt kritisch und sieht eine Digitalromantik als (auch seine) Motivationsquelle.
Was taucht bisher kaum auf?
Auch wenn vorgeblich über Digitalisierung gesprochen wird, so dreht sich der Kern der Diskussion um die Nutzung von Social Media. Und greift damit empfindlich zu kurz – aus unserer Sicht.
Ein persönlicher Erfahrungsbericht
Ein schneller Blick in Magazine wie SpiegelOnline, brandeins oder t3n und in die betreffenden Artikel über Digitalisierung ergibt, das Digitalisierung wohl scheinbar vor allem mit wegfallenden LKW-Fahrern zu tun hat. Oder mit Drohnen, die Sachen in wenigen Stunden vermessen, wofür Vermessungstechniker Tage oder Wochen gebräucht hätten. Und dem drohenden Tod für „einfache“ Arbeiten – wovon ca. 5 Millionen Sachbearbeiter etc. betroffen sein werden.
Digitalisierung im kirchlichen Leben scheint sich vor allem darum zu drehen, ob man nun nicht doch einmal Social Media mitdenken solle. Und das sind schon die progressiven Stimmen.
Denkt man beides zusammen, kommt doch viel eher folgende Perspektive heraus: Die Digitalisierung wird sowohl in (Erz-)Bistümern als auch Gemeinde- und Landeskirchenämtern Stellen reduzieren – und das unabhängig von Social Media.
Wenn IBMs Watson Programm seltene Krankheiten schneller diagnostiziert als hoch qualifizierte Ärzte, braucht man nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, was den Verwaltungen durch intelligente Algorithmen droht. Denn ein Algorithmus füllt einen Antrag nicht nur schneller aus, sondern auch fehlerfrei. Und das rund um die Uhr und ohne Krankheitstage oder Fortbildungen. Was bedeutet das für die großen Verwaltungskomplexe von Kirche, Caritas und Diakonie? Und was bedeutet das für das örtliche Gemeindebüro, wenn Taufurkunden schnell ausgedruckt, Anmeldungen zum Firm- oder Konfirmandenunterricht online gestellt und Informationen via Chatbot abrufbar sind? Und wir sprechen hier über Technologien, die so schon alle existieren und genutzt werden!
Nicht umsonst geht in den nicht-kirchlichen Medien der Begriff Digitalisierung einher mit den Begriffen Disruption, Automation sowie Umbruch. Wir sollten also viel eher darüber reden, wie wir die Digitalisierung in der Kirche gestalten – sowohl was die Kommunikation angeht, als auch, wieviele Anträge wir zukünftig maschinell statt händisch bearbeitet haben wollen. Und nicht nur darüber, ob Gottesdienste für eine ausgewählte kleine Schar auch auf Twitter stattfinden können.
Warum ist das wichtig?
Digitalisierung auf Social Media zu begrenzen ist ungefähr so, als würde man Uber lediglich als ein via Facebook bestelltes Taxi betrachten. Dabei nutzt Uber moderne Techniken, um das Taxi-Gewerbe neu zu denken – ohne das Taxi-Gewerbe. Genauso wie Foodora bei Lebensmittel-Kurieren.
Als Agentur telos communication haben wir einen Partner, der genau in diesem Feld aktiv ist, nämlich Digitalisierung für Kirche zu denken. Resultat ist eine Cloud basierte All-in-One-Lösung, die Gemeinden die Verwaltungsarbeit und Kommunikation vereinfacht und so mehr Zeit für das Wesentliche lässt: Gemeinde. Anmeldeformulare können einfach online eingereicht werden, Räume und Ressourcen von überall aus geplant werden sowie Aufgaben in Teams verteilt werden – alles ohne Zeiträuber. Wir sind stolz darauf, mit einem Partner wie ChurchDesk zusammenarbeiten zu dürfen, denn genau das sind die Facetten, die Digitalisierung bedeuten wird – auch wenn sich der Themenkomplex Social Media einfacher beherrschen lässt. Sowohl vom Wohlfühlfaktor als auch von der Diskussion her. Denn eine Diskussion um digitale Umbrüche gefährdet Personen und Personalstellen, eine Diskussion um Social Media nicht.
Was kann man aus der Diskussion für die kirchliche Kommunikation lernen?
Die kommunikativen Chancen durch die Digitalisierung sind riesig. Ja, auch bei Social Media. Nein, nicht nur dort. Klar, man kann Gottesdienste live bei Facebook streamen. Oder aber auch via Skype-Anruf für kranke Gemeindemitglieder. Man kann via Twitter zum Gemeinde-Ausflug einladen. Oder aber über Newsletter ein Anmeldeformular senden – und so nie wieder Laufzettel in Gemeindezentren aushängen und händisch übertragen müssen. So macht man es nicht nur der Zielgruppe viel einfacher (die Öffnungszeit des Gemeindehauses bzw. -amts ist so nicht mehr wichtig), sondern nimmt auch seinen Angestellten viel Arbeit ab. Bei einem angerechneten Wert von mindestens 50€ je Pfarrer-Arbeitsstunde eine Investition, die sich zudem schnell bezahlt macht.
Für die kirchliche Kommunikation ist daher nicht das Ob wichtig, sondern das Was? Mit welchen Mitteln können wir effizient und effektiv als Gemeinde kommunizieren und unsere Gemeindemitglieder mitten in ihrem Leben abholen? Wie bauen wir für sie Hürden ab, vereinfachen Ihnen Zugänge und geben Ihnen Impulse mit? Wenn das mitgedacht wird, kann Kirche tatsächlich die Digitalisierung nutzen, um Ihre Relevanz auszubauen. Denn die Bevölkerung ist tatsächlich schon mitten in der Digitalisierung. Die Frage ist nur, wie weit gehen wir mit?
Bildquelle: Tung Wong via unsplash
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