Stell dir vor,
es gibt eine Kirche,
und keiner geht hin…
dann kommt die Kirche zu euch
In Anlehnung an den Ausspruch Berthold Brechts starten wir mit unserem ersten Beitrag aus der Reihe Marketing & Pastoral.
Es erwarten Sie Tipps und Ideen, wie Sie Marketing-Konzepte für Kirche und Gemeinden praktisch nutzen können.
Mit den von uns vorgestellten Grundzügen für eine marktorientierte Pastoral können Sie zukünftig
- ein gezieltes Management Ihres pastoralen Angebots entwickeln
- Ihr Image aufbessern
- Ressourcen sparen
In unserem aktuellen Beitrag erfahren Sie einleitend, warum es eine marktorientierte Pastoral braucht.
Dienst-Leistung oder Dienst ohne Leistung?
„Aus, Amen, Ende?“, so der Titel des Buches von Pfarrer Thomas Frings, der seit 2016 eigentlich nicht mehr Pfarrer sein möchte in einer zu service-orientierten Kirche.
Spätestens seit dem „Fall Frings“ ist die „Service-Kirche“ in der Diskussion: Muss der Dienst der Kirche „kundenorientiert“ sein? Muss Kirche Dienst-Leistungen erbringen, wenn der „Kirchen-Kunde“ es möchte? Und welche Vor- oder Nachteile bietet eine „Service-Kirche“ bzw. marktorientierte Kirche?
Im Text der Würzburger Synode von 1975 klingen diese Fragen bereits an: „Aus einer Gemeinde, die sich pastoral nur versorgen lässt, muss eine Gemeinde werden, die ihr Leben im gemeinsamen Dienst aller und in unübertragbarer Eigenverantwortung jedes einzelnen selbst gestaltet.“
Man kann trefflich darüber streiten, ob aus dem Communio-Gedanken des Zweiten Vatikanischen Konzils, der auf der Synode weitergedacht wurde, eine bloße „Versorgungskirche“ geworden ist.
Man kann auch darüber streiten, wer den Kurs der Kirche bestimmt – ist etwa der Kunde König?
Damit verbunden ist auch die Frage, ob Kirche auch für jene Dienst-Leistungen erbringen muss, die sich selbst nicht in den Dienst der Kirche stellen und vielfach nicht mehr am Sonntagsgottesdienst teilnehmen.
Aber unstrittig ist:
- Die Kirchenaustrittszahlen steigen
- Die Kirchensteuereinnahmen werden damit auf Dauer sinken
- Die Kirche (in Deutschland) ist auf Kirchensteuereinnahmen angewiesen
Damit ist ein Rahmen abgesteckt, der eine wirtschaftliche Orientierung von Kirche notwendig macht.
Oder doch nicht?
Kirche ist kein profitorientiertes Unternehmen
Richtig ist: Die Kirche als „das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ wie sie in Lumen Gentium bezeichnet wird (LG I, 4) braucht kein Geld, um Kirche zu sein.
Das „pilgernde Gottesvolk“ ist auf seinem Weg nicht auf ein volles Bankkonto angewiesen.
Und das Himmelreich betritt man bekanntlich mit leeren Taschen.
Kirche steht in der Welt der Marktwirtschaft
Richtig ist aber auch: Jenseits jeder ekklesiologischen Sicht, ist Kirche als Institution auch den Gesetzen der Marktwirtschaft unterworfen.
Wer leugnet, dass sich die Entscheidungsmuster von Menschen nicht nach dem Grundparadigma von Angebot und Nachfrage, von Bedürfnis und Bedürfnisbefriedigung und von Kosten- und Nutzenrechnung richten würden, hat zumindest ein „Zeichen der Zeit“ verkannt.
Es braucht eine Service-Kirche
Oder anders ausgedrückt: Wer am Sonntag keine leeren Kirchenbänke möchte, sollte sein Service-Angebot überdenken.
Denn das Drohszenario der Hölle im Falle fehlender Frömmigkeit hat längst an Wirkkraft verloren – dafür hat die Theologie des 20. Jahrhunderts gesorgt.
Mit der bevorstehenden ewigen Verdammnis hält man keine Gläubigen in der Kirche. Und erst recht motiviert man damit niemanden zum Zahlen der Kirchensteuer.
Kunden überzeugt man durch die Qualität eines Produktes – Gläubige mit der Qualität von Pastoral.
Andernfalls sucht sich der Kunde wie der Gläubige ggf. einen anderen Wettbewerber.
Kirche im Wettbewerb
Dass Kirche sich längst mit anderen Anbietern im Wettbewerb befindet, belegen rückläufige Zahlen der pastoralen Dienst-Leistungen.
Während z. B. im Jahr 2000 noch 71,5 Prozent aller Verstorbenen in Deutschland kirchlich beerdigt wurden, lag der Anteil 2016 bei 56,5 Prozent.
Vermehrt werden Beerdigungen oder Eheschließungen von freien Theologen oder Unternehmen begleitet.
Der religiöse Markt an Sinn- und Spiritualitätsangeboten boomt indessen weiterhin.
Ob Yoga-Kurs oder Meditationsübungen: Die Suche nach Sinn und geistlicher Begleitung ist nach wie vor ein Thema.
Nur nicht mehr zwangsläufig ein kirchliches.
Plädoyer für eine marktorientierte Pastoral
Service, Wettbewerb, Markt – das klingt zuerst nach Themen für Marketing-Management.
Es könnten aber auch Themen sein für ein gezieltes „Pastoral-Management“, das Theologie mit Marketingmodellen und Prozesstheorien ins Gespräch bringt. Oder wie wir es nennen: marktorientierte Pastoral.
Unsere Hypothese: Kirche ist mit ihrem pastoralen Angebot erfolgreicher, wenn sie sich an den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Gläubigen orientiert (Kundenorientierung). Wenn sie den Markt religiöser Sinnsuche zum Maßstab von Planungen des pastoralen Angebots nimmt. Und somit das Paradigma der Marktwirtschaft in ihre pastoralen Planungen integriert.
4P vs. 3R oder: Outside-in statt Inside-out
Kundenorientierung. Das hört sich auf den ersten Blick so gar nicht kirchlich an. Schließlich ist Kirche kein Dienstleistungsbetrieb, der Kunden bedient.
Aber was wäre so falsch daran, Gläubige oder Kirchmitglieder im Sinne von Serviceorientierung als Kunden zu betrachten?
Wenn man diesen Sprung einmal wagt, eröffnen sich neue Perspektiven für die Mitglieder- bzw. Kundenbindung: Die Blickrichtung verschiebt sich von innen nach außen.
In Marketingsprache ausgedrückt: Es geht nicht mehr in erster Linie um die 4Ps Product, Price, Promotion und Place (Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Vertriebspolitik). Sondern vielmehr um die 3Rs Recruitment, Retention und Recovery (Neukundengewinnung, Kundenbindung und Kundenrückgewinnung).
Dieser seit den 1990er Jahren von Unternehmen vollzogene Wandel vom klassischen Transaktionsmarketing hin zum sogenannten Relationship Marketing (Beziehungsmarketing) entspricht dem Wechsel von einer „Inside-out“- hin zu einer „Outside-in“-Perspektive.
Ein Unternehmen berücksichtigt hierbei nun vielmehr die Kundenwünsche und -bedürfnisse, auf deren Grundlage das Angebot entwickelt wird. Sowie die speziellen Beziehungen des Unternehmens zu seinen Kunden.
Vielleicht genau das richtige Rezept gegen Mitgliederschwund?
Kirche steuern mit der Kirchensteuer oder steuert die Kirchensteuer die Kirche?
Ob man es wahrhaben will oder nicht: Die Kirchensteuer ist die Existenzgrundlage der Kirche in Deutschland.
Das Herz dieser Kirche sind die vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Aber ohne das lebenswichtige Organ der Kirchensteuer hört auch dieses Herz irgendwann auf zu schlagen.
Bei Bistümern oder Landeskirchen mit großem (zumeist historisch bedingtem) finanziellem Polster mag das noch nicht ins Gewicht fallen. Wer diese Rücklagen nicht hat, muss z. B. Kirchen oder Schulen schließen und mit weniger Personal auskommen.
Die Einnahmen der Kirchensteuer sind mindestens der zweite Steuermann auf dem Kirchen-Kurs.
Das bedeutet zweierlei:
- Wer Einnahmen von seinen Kunden erhalten möchte, muss diese auch zufriedenstellen können.
- Wer für Leistungen zahlt, will auch eine bestimmte Qualität von Leistungen und darf auch Produkte verlangen, die zu ihm passen.
Zusammengefasst: Zwei gute Gründe für eine marktorientierte Pastoral!
Best-Practice
Ein zurzeit sehr innovatives Bistum hat sich diesen Grundbedingungen gestellt und wahrscheinlich die „Zeichen der Zeit“ erkannt.
Im Bistum Essen wurde nicht nur die Kirchenaustritts- bzw. Kirchenbindungsstudie „Kirchenaustritt – oder nicht?“ durchgeführt.
Das Bistum hat auch aus dieser Studie unmittelbar Konsequenzen gezogen und nach einem Dialogprozess 20 Projekte auf den Weg gebracht unter dem Motto „Zukunftsbild. Du bewegst Kirche“.
Besonders bemerkenswert: Insbesondere der Gedanke der Kundenorientierung blitzt in zahlreichen Projekten auf. So hat das Bistum z. B. einen 278 Seiten starken Reader zur Willkommenskultur in Kirchengemeinden herausgegeben. Die Blickrichtung geht klar hin zum „Kunden“ – das ist (zukunfts)würdig und (zukunftsge)recht!
Was Sie hier zukünftig erwartet
In unserer Reihe Marketing & Pastoral erhalten Sie regelmäßig Beiträge zum möglichen Prozess einer marktorientierten Pastoral, um diesen selbständig umsetzen zu können – oder wenn Sie wollen, mit unserer Hilfe!
Analog zu den klassischen Phasen des Marketingmanagements geht es um
- Analyse
- Planung
- Durchführung und
- Kontrolle
Im nächsten Beitrag erwartet Sie u. a. eine Übersicht zu den einzelnen Phasen eines möglichen Konzeptes für Ihre Gemeinde mit einem konkreten Ablaufplan.
Unterstützung bei der richtigen Marketing-Strategie gesucht?
Wir helfen Ihnen gerne auf dem Weg zur efolgreichen Mitgliederbindung! Schauen Sie sich doch mal auf unserer Seite um.
Vielen Dank für diesen Artikel, der auch ein Impuls ist.
Sie schreiben „Man kann auch darüber streiten, wer den Kurs der Kirche bestimmt – ist etwa der Kunde König?
Damit verbunden ist auch die Frage, ob Kirche auch für jene Dienst-Leistungen erbringen muss, die sich selbst nicht in den Dienst der Kirche stellen und vielfach nicht mehr am Sonntagsgottesdienst teilnehmen.“
Dienst-Leistung? Kunde? Unstrittig gehen wir so vor, wenn wir Pastoral planen. Aber müssten wir nicht mehr im Sinne einer jesuanischen Parallelgesellschaft mutiger sein? Nicht aus Verzweiflung, sondern weil es unser Auftrag ist und ! weil wir es lieben.
Mir fällt freshX ein. Fresh Expressions.
Mir fällt auch ein: „Ich singe, weil ich ein Lied hab, nicht weil es euch gefällt.“ von Hannes Wader. Eben weil ich singe.
Sie haben mit Ihrem Hinweis auf den pastoralen Auftrag vollkommen Recht!
Und genau diesen Punkt werden wir auch in unserem Folgeartikel aufgreifen, wo es u. a. auch um eine Kurzdefinition von Pastoral und Marketing gehen wird – und wie diese beiden Felder und Begriffe zusammengedacht werden können.
Ich würde allerdings nicht von einer jesuanischer Parallelgesellschaft sprechen wollen, sondern von einer Pastoral, die für alle da ist und sich an den konkreten Bedürfnissen und Nöten der Menschen orientiert – unabhängig davon, ob wir sie Gläubige, Mitglieder oder Kunden nennen.
Mehr dazu in unserem nächsten Beitrag!