Wer heute Öffentlichkeitsarbeit für Kirchengemeinden betreibt, hat meist ein ehrliches Problem:

Es fehlt nicht an Ideen – sondern an Kapazitäten.

Die Social-Media-Accounts wollen gepflegt werden. Der Gemeindebrief muss raus.

Und dann kommt da noch jemand mit einer Veranstaltungs-Nachricht ums Eck, die „ganz dringend bis Sonntag“ auch noch versendet sein muss.

Da liegt die Versuchung nahe, einfach zu senden – in die Breite, an möglichst viele.

Doch Breite ist nicht gleich Wirkung. Wer Wirkung erzielen will, braucht Fokus.

Die zentrale Frage lautet: Wen wollen wir erreichen – und wen erreichen wir (noch) nicht?

Oder schärfer:

Welche Zielgruppen lohnen sich besonders für unsere Öffentlichkeitsarbeit?

Diese drei gehören ganz oben auf die Liste:

1. Junge Familien – wenn Lebensphasen neue Zugänge schaffen

Kaum eine Phase verändert das Kommunikationsverhalten so sehr wie die Gründung einer Familie.

Auf einmal sind Termine, Informationen, Zugehörigkeit und Struktur gefragt.

Es entstehen neue Fragen, neue Werte – und neue Offenheit.

Viele Eltern finden über ihre Kinder wieder Kontakt zur Kirche.

Nicht weil sie auf einmal fromm werden – sondern weil sie sich Orientierung und Verlässlichkeit wünschen. Oder noch banaler: Einfach Kontakt zu anderen Eltern mit gleichaltrigen Babys.

Das große Potenzial liegt zudem folgende Kontaktpunkte:

  • Taufen
  • Kita-Einstieg
  • Schulanfang
  • Segen & Familiengottesdienste
  • Elternstammtische, Willkommensabende, Kinderfeste

Diese Familien sind nicht nur da – sie sind auch erreichbar.

Per Brief, per Aushang, über Kitas, über Word-of-Mouth. Und oft offener als man denkt.

Eine Zielgruppe, die ich ebenfalls unterschätzt hatte – bis ich dazu gehörte…

Ich muss zugeben: Als Twentysomething habe ich damals einen befreundeten Diakon im Anerkennungsjahr etwas damit aufgezogen, dass er sich primär an die Kita-Väter gewendet hat und für diese Projekte initiierte.

Heute weiß ich: Ein sehr kluger Schachzug war das. Denn wenige Jahre später wurde ich selbst Vater – und wir waren auf der Suche nach passenden Gruppen. Denn man hat ja auf einmal Vormittags viel Zeit, aber abends zum Beispiel weniger.

Von der Kirchengemeinde erhielten wir zurück. “Unsere vier (!) Krabbelgruppen sind bereits voll – wir melden uns, wenn etwas frei wird”. Und damit waren wir aus dem Kosmos verschwunden. Über eine Musikgruppe fand sich dann ein Freundeskreis, der sich bis heute (sieben Jahre später) hält.

Krabbelgruppen, Elternfrühstücke, Stillcafés – wenn ich als Gemeindeverantwortliche:r in Angebote investieren müsste: Das wären sie.

Denn junge Eltern befinden sich am Anfang einer “Laufbahn” – und sind froh, vertrauenswürdige Angebote zu finden. Wer es schafft, für junge Eltern attraktiv zu werden, der schafft Kontaktpunkte, die tief gehen und perspektivisch lange bleiben.

2. Zugezogene – unterschätzt, aber hoch empfänglich

Auch ein Klassiker warum frischgebackene Familien offen sind: Sie sind in der Regel gerade erst umgezogen um mehr Platz für das neue Familienleben zu haben.

Ein Umzug ist nicht nur ein Ortswechsel.

Er ist ein Bruch im Alltag – und damit eine Einladung.

Denn wer umzieht, ist offen für neue Kontakte, Angebote, Routinen.

Viele Gemeinden haben ein erstaunliches Potenzial in genau dieser Gruppe.

Was ihnen oft fehlt:

  • ein konkretes Angebot
  • eine Einladung
  • ein sichtbarer Ankerpunkt vor Ort

Best Practices:

  • Willkommenspost mit kleinem Gruß und Einladung
  • Website-Rubrik „Neu in [Ort]?“
  • Einladungen zu offenen Formaten: Sommerfeste, Gottesdienste, Begegnungscafés
  • Zusammenarbeit mit Bürgerbüro oder Ortsvorsteher:innen

Wer Zugezogene früh anspricht, wird überrascht sein, wie niedrig die Einstiegshürde ist.

Vielleicht versuchen Sie es ja einmal testweise mit einer Art “Umtrunk für Neuzugezogene” einmal im Quartal oder Halbjahr?!

3. Ältere Menschen – digital unterschätzt, analog gut erreichbar

Ja, viele Senior:innen sind nicht mehr digital unterwegs. Aber das heißt nicht, dass sie schwer erreichbar wären.

Im Gegenteil: Sie sind oft dankbar für jede Form von persönlicher Ansprache.

Was sie besonders macht:

  • Sie haben Zeit – aber nicht immer Mobilität
  • Sie sind häufig loyal – aber oft nicht mehr integriert
  • Sie suchen Anschluss – aber brauchen Einladung

Was hilft:

  • gedruckte Formate mit Substanz (Seniorenbrief, persönliche Karte, Telefondienst)
  • regelmäßige Formate mit Wiedererkennungswert
  • niedrigschwellige Beteiligungsangebote (Erzählcafés, Besuchsdienste, Kreativgruppen)

Wer hier in Beziehung investiert, bekommt mehr Resonanz als auf jedem Instagram-Post.

Fazit: Weniger Zielgruppen – mehr Wirkung

Kommunikation ist keine Gießkanne. Sie ist ein Resonanzinstrument.

Drei Zielgruppen stehen heute besonders offen für gute kirchliche Kommunikation:

  • Familien, die nach Struktur und Sinn suchen
  • Zugezogene, die Anschluss brauchen
  • Senior:innen, die weiterhin dazugehören wollen

Alle drei eint:

Sie sind da. Sie sind erreichbar. Und sie sind auf Empfang.

Statt möglichst viel für möglichst viele zu machen, könnte der klügere Weg lauten:

Weniger – aber gezielter.