Am 20. Februar fand in der Melanchthon-Akademie (Köln) ein Abend statt, unter der Frage, ob oder wie Kirchengemeinden in digitalen Nachbarschaftsplattformen partizipieren können. Hier präsentieren wir Ihnen einige Erkenntnisse – mit freundlicher Genehmigung von Martin Horstmann, Studienleiter.
Was sind Nachbarschafts-Plattformen und welche gibt es?
Folgende Nachbarschafts-Plattformen existieren:
- WirNachbarn.com
- nebenan.de
- nachbarschaft.net
- allenachbarn.de
- sowie in den Startlöchern: nextdoor.de
Die Nachbarschaftsnetzwerke haben zwei große „Wurzeln“:
- Zum einen ist es die amerikanische Plattform nextdoor,
- zum anderen ist es die italienische Bewegung socialstreet.it. Diese Idee aus Bologna war anscheinend die erste funktionierende Nachbarschaftsplattform im digitalen Raum (in Europa). Sie funktioniert – schlicht und einfach – als geschlossene Facebook-Gruppe, mit allen Vor- und Nachteilen einer solchen Gruppe.
Die folgenden Beobachtungen beziehen sich nun auf die facebook-unabhängigen Nachbarschaftsplattformen, und auf die an dem Abend in der Melanchthon-Akademie vorgestellte Plattform WirNachbarn.com.
Charakteristika digitaler Nachbarschafts-Plattformen
Charakteristisch für Nachbarschafts-Plattformen ist zum einen die Verbindung von digitaler Vernetzung und analoger Begegnung. Und zum anderen der eingegrenzte geographische Raum (manchmal taucht in diesem Zusammenhang auch der Begriff der Hyperlokalität auf).
Im Unterschied zu gängigen Social Media entfallen zwei Eigenschaften, die sonst typisch sind:
- der doch meist recht langwierige Kontaktaufbau (also das Sammeln von Freunden bei Facebook oder Followern bei Twittern) und
- die – mehr oder weniger ausgeprägte – digitale Selbstinszenierung.
Kirche in der digitalen Nachbarschaft
Spannend ist die Frage nach der Rolle von Kirche/Kirchengemeinden in solchen Nachbarschafts-Netzwerken. Was im Seminar klar wurde: Der Charme für Kirche/Kirchengemeinden liegt gerade darin, in solchen Netzwerken durch die Kommunikation/Interaktion der Gemeindeglieder als Nachbarn präsent zu sein. Zwar wäre ein institutioneller Account als Kirchengemeinde auch möglich (wobei das scheinbar nicht die Regel ist), aber die Kommunikation findet eben unter Nachbarn statt — und nicht unbedingt in Verbindung mit institutionellen Quartiersakteuren, wie Vereinen, Initiativen, oder eben der Kirchengemeinde.
Das heißt, digitale Nachbarschaften sind keine Plattform für klassische „kirchliche Öffentlichkeitsarbeit“ – als einem weiteren Kanal, der bespielt werden will und für den es einen Koordinator und Vorantreiber (aka „Öffentlichkeitsarbeiter“) braucht – sondern „religiöse Kommunikation“ der Mitglieder, sofern und so viel sie dies wollen.
Vorteile für Kirchengemeinden
Der Nutzen eines solchen Netzwerkes für die Kirchengemeinde besteht also nicht darin, einen weiteren Mitteilungskanal zu haben, sondern durch die Kirchenmitglieder als Nachbarn in der Nachbarschaft im Gespräch zu sein. Damit liegt der Fokus einer Kirchengemeinde in solch einem Netzwerk weder auf „Werbung“ (Veranstaltungen) noch auf „Verkündigung“ (Botschaft), sondern im Anregen zu digitaler Teilhabe ihrer Mitglieder. Und Kirchengemeinden müssten eigentlich auch ein Interesse an der digitalen Teilhabe ihrer Gemeindeglieder haben, um im Gespräch zu sein und sich mit dem, worüber gesprochen wird, als relevant zu erweisen.
Eine wichtige Funktion in den digitalen Nachbarschaften ist das Geben & Nehmen bzw. Suchen & Finden. Babysitter, Laufpartner, Anhängerkupplung oder Paket-Annehmer werden gesucht. Und vieles andere auch. Kirchengemeinden haben selbst viel zu bieten und brauchen auch viel. Das passt eigentlich wunderbar zusammen. Allerdings müssen Gemeinden lernen, sehr konkret zu werden. Der gängige wie diffuse Wunsch von Gemeinden nach „mehr Ehrenamtlichen“ funktioniert natürlich nicht. Es geht immer um sehr konkrete Aufgaben, Kompetenzen oder Dinge. Eine solche Konkretion dürfte jedoch Gemeinden durchaus gut tun. Das heißt auch, stärker in “Nützlichkeiten” zu denken.
Quartier-Bezug als Inspiration für Gemeinden
Und schließlich noch eine Beobachtung zum Quartiersbezug. Die definierten Nachbarschaften orientieren sich natürlich nicht an Kirchengemeindegrenzen (die ja gelegentlich nicht direkt verständlich sind), aber sie beziehen sich wie kein anderes Medium auf das, was Parochie-Kirchengemeinden so wichtig ist: den konkreten Ort. Auch das kann Kirchengemeinden guttun. Der Quartier‑, Kiez‑, Veedel-Bezug wird gestärkt, aber es sind gewachsene bzw. subjektiv wahrgenommene Viertel. Gerade bei kirchlichen Fragen, die Stadtentwicklungsaspekte betreffen (z.B. Umbau/Neubau/Abriss/Schließug von Kirchen und Gemeindehäusern) ist ein Denken in den „tatsächlichen“ Räumen durchaus sinnvoll.
Und noch ein Vorteil: Das Ganze funktioniert in der (Groß-)Stadt ebenso wie auf dem Land. Dort ist die zugrundeliegende Fläche natürlich weitaus größer, aber urbaner Raum ist keine Voraussetzung für das Funktionieren dieser Art von Vernetzung.
Möchten Sie das nächste Mal bei Veranstaltungen wie dieser mit dabei sein? Das Programm der Melanchthon-Akademie finden Sie hier — oder einfach eine Mail an horstmann@melanchthon-akademie.de schicken.