Wie Kirchengemeinden die neue Facebook-Strategie nutzen können um weiterhin im Netz wahrgenommen zu werden.
Der Aufschrei in der Kommunikationsbranche ist groß: Facebook vollzieht derzeit eine radikale Kehrtwende.
Zukünftig heißt es: Mehr Fokus auf Kommunikation zwischen Freunden und Familien. Schlechtere Karten haben fortan die Postings von Institutionen und Firmen.
Im Klartext bedeutet dies:
In den Facebook-„News-Feed“ werden fortan weniger Nachrichten von „Nicht-Personen“ eingespeist werden. Meldungen von Menschen hingegen erhalten Vorrang.
Das Ziel: durch den Fokus auf soziale Interaktion möchte Facebook wieder eine deutlich persönlichere Note erhalten.
Aber warum? Und müssen Kirchengemeinden und Non-Profits nun um Sichtbarkeit im sozialen Netzwerk bangen?
Die wichtigsten Antworten – und neue Ansätze, wie Kirchen den Kurs-Schwenk sogar für sich nutzen können – geben wir Ihnen in diesem Artikel.
Was bisher sicher bekannt ist
Der allgemeinen Panikmache zum Trotz ist bis dato unklar, ob nicht-kommerzielle Seiten überhaupt von der Anpassung des Algorithmus betroffen sind.
In seinem Statement unterscheidet Mark Zuckerberg vor allem zwei Arten von Inhalten:
- öffentliche Inhalte („public content“)
- Private Posts („private posts“)
Auf den ersten Blick gehören Kirchen, Gemeinden und Non-Profit-Organisationen natürlich zum public content. Dieser wird zukünftig seltener ausgespielt werden. Zuckerberg grenzt jedoch später ein, was er unter public content versteht. Und nennt dort nur kommerzielle Seitenbetreiber.
Sicher ist also lediglich, es kommt zukünftig zu weniger Reichweite für:
- Geschäfte & Unternehmen („Businesses“)
- Marken („Brands“)
- Medien („Media“)
Private Posts hingegen werden fortan bevorzugt behandelt. Facebook legt so wieder den Fokus auf die zwischenmenschlichen Interaktionen. Und will die persönliche Relevanz seines News-Feeds stärken.
Nun könnte man argumentieren, gerade Kirchengemeinden fördern ja die persönliche Interaktion. Das wird auch dem Entwickler-Team in den USA bekannt sein, wo noch ein deutlich höherer Anteil des öffentlichen Lebens durch Kirchengemeinden gestaltet wird.
Es bleibt abzuwarten, ob die Änderungen auch Facebook-Profile von lokalen Gemeinden zuteilwerden. Verbände wie Landeskirchen, (Erz-)Bistümer und Non-Profit-Organisationen dürften jedoch eher betroffen sein.
Ironischerweise stellten die panischen deutschen Medien in der Woche nach der Ankündigung keinerlei Reichweite-Einbrüche fest.
Update: Wie Facebook-Europa-Chef Martin Ott kurz nach dem Erscheinen dieses Artikels verlauten ließ, werden die Änderungen erst schrittweise ausgerollt werden innerhalb mehrerer Monate.
Die Auswirkungen werden von Seite zu Seite unterschiedlich sein und können sich im Laufe der Zeit verändern, wenn wir besser verstehen, welche Art von Inhalten bedeutungsvolle Interaktionen fördern. (Interview mit W&V)
Verstehen, worum es Facebook geht
Wieso ändert das weltweit größte soziale Netzwerk eigentlich seine Funktionsweise?
Auch dem blauen Riesen aus Kalifornien ist nicht entgangen, dass immer mehr Nutzer eine lediglich passive Rolle einnehmen. Aktiv kommunizieren häufig nur noch Marken und Unternehmen.
Der individuell zusammengestellte Newsfeed entwickelte sich so immer mehr zu einer Kette öffentlicher Beiträge. Und von Reaktionen anderer auf diese Inhalte. Dazwischen wurde dann (weitere) Werbung geschaltet. Man könnte auch sagen, der Newsfeed ist zu einem besseren RSS-Feed geworden. Mit gelegentlichen privaten Einspielern.
Facebooks anfänglicher Erfolg lag jedoch im persönlichen Vernetzen zwischen den Teilnehmern. Und genau dahin möchte man laut eigener Aussage wieder zurück.
„Wir wollen bedeutungsvolle, soziale Interaktionen fördern. (…) Facebook geht es um persönliche Verbindungen. (…) Facebook fokussiert sich darauf, Menschen näher zusammenzubringen.“
In das selbe Horn stößt der Facebook Europa-Chef Martin Ott in einem Artikel mit dem Magazin W&V:
„Es ging bei Facebook ursprünglich darum, Menschen mit ihren Freunden und Familien zu verbinden. In letzter Zeit haben uns jedoch immer mehr Menschen berichtet, dass sie wieder mehr Interaktion wünschen anstelle nur passiv Inhalte zu konsumieren. Die Zeit, die Menschen auf Facebook verbringen, soll für sie wertvoll sein. Deswegen werden wir in Zukunft wieder mehr Beiträge von Freunden und Familienmitgliedern und auch Inhalte, die bedeutungsvollen Interaktionen fördern vor anderen Inhalten priorisieren.“
Wenn Facebook also wieder sozialer werden will, drängt es damit zurück zu seinem ehemaligen Markenkern. Und möchte damit seine Marke zukunftssicher machen.
Und Werbeplätze teurer verkaufen.
Denn kostenlose Reichweite wird es zukünftig nicht mehr so einfach geben wie bisher. Steigert das soziale Netzwerk wieder seine Relevanz, werden auch wieder mehr Menschen Facebook nutzen. Und „Nicht-Personen“ ergo mehr Geld ausgeben müssen, um Zutritt zur Aufmerksamkeit dieser Menschen zu erlangen.
Nehmen wir einmal an, auch die Profile von Kirchen würden zukünftig abgewertet werden. Möchte die Kirche weiter im digitalen Leben der Menschen auftauchen, müsste sie zukünftig auch diesen Weg gehen. Oder sich anderer Strategien bedienen.
Das Segel in den Wind stellen – Facebooks Kurs-Schwenk als Chance
Auch wenn der Negativ-Fall bedrohlich erscheint, er bringt auch Vorteile mit sich.
So werden weniger Menschen um die wenigen freien Plätze kämpfen. Zwar nicht relativ, aber absolut. Denn statt einen teuren Social Media Manager zu engagieren, werden Unternehmen häufig lieber direkt Werbung schalten. Das Gerangel um die kostenlose Aufmerksamkeit wird definitiv steigen. Ehren- und Hauptamtliche treffen aber zukünftig auf weniger Profis!
Zudem lohnt auch ein positiver Blick auf die Chancen:
Facebook stellt gerade die Frage nach der Relevanz!
Und wer, wenn nicht die Kirchen, haben Antworten, die relevant sein können?
Und eigentlich tut Facebook Ihnen sogar einen Gefallen. Es verrät Ihnen nämlich den Königsweg zu mehr Sichtbarkeit: soziale Interaktionen.
Den Aufwind nutzen – mit welcher Strategie Sie weiterhin Reichweite auf Facebook erzielen können
Der einfachste Weg ist also: Produzieren Sie Inhalte, die zu vielen Interaktionen führen. (Es ist nicht so, als sei dieser Trick neu… wir haben ihn sogar in diesem Artikel vorgestellt).
Genau das gibt übrigens auch Martin Ott in besagtem Interview aus:
„Wir empfehlen Medienmarken, Prominenten und andere Seitenbetreibern sich darauf zu konzentrieren, Inhalte zu erstellen, die den Menschen dabei helfen, Unterhaltungen und bedeutungsvolle Interaktionen um ein Thema aufzubauen.“
Was können solche Inhalte sein?
Zum Beispiel Diskussionen.
Fragen Sie Ihre Gemeinde doch einfach nach ihrer Meinung zur neuen Ortsumgehung. Oder bitten Sie um Feedback zu einer Gemeinde-Frage (bspw. in welcher Farbe soll das Foyer gestrichen werden? Welche Themen sollen in die nächste Pfarrgemeinderat-/Presbyteriumssitzung?). Wichtig sind Beiträge, die zur Interaktion anregen!
Aber auch eine dezentrale Struktur kann Sie sichtbar halten.
Was ist damit gemeint? Nun, sollte Facebook tatsächlich Ihr Gemeinde-Facebook-Profil in den Hintergrund drängen, spielen Sie einfach über Bande… Nutzen Sie die Profile Ihrer Gemeindemitglieder um Ihre Informationen zu streuen! Sammeln Sie ein Facebook-Mitarbeiter-Team, das mit den persönlichen Accounts zum Beispiel auf das Gemeindefest aufmerksam macht. Und als Pfarrerin oder Pastor können Sie auch einfach einen persönlichen Account anlegen, der aber erkennbar dienstlich ist („Pfarrerin Anne Bäcker“ zum Beispiel oder „Pastor Andreas Berthold“).
Und setzten Sie auf Gruppen und Veranstaltungen!
Mark Zuckerberg erwähnt ausdrücklich Gruppen als Zielvorstellung. Zum Beispiel die
Fangruppe einer Serie. Davon sollten Sie Gebrauch machen! Gründen Sie einfach unterschiedliche Gruppen. Zum Beispiel eine für den Stadtteil. Eine für Mitglieder Ihrer Kirchengemeinde. Aber vermeiden Sie, diese zu eng zu ziehen! Nicht jedes Ihrer Mitglieder ist aktiv bei Facebook! Eine Kommunikation des Mitarbeiter-Kreises ausschließlich über Facebook stößt diese vor den Kopf.
Grundlegend sind verschiedene Gruppen denkbar:
- Kirchenzentriert („Rund um St. Andreas“, „Evangelisch in Musterhausen“)
- Erlebniszentriert („Etwas unternehmen in und um Musterstadt“, „Singen & Musizieren in Musterhausen“, „Kultur in Musterhausen-Nord“)
- Ereigniszentriert („Wir machen unser Musterhausen schöner“, „Nachbarschaftshilfe Musterhausen“, „Aktionen & Termine für Kinder & Jugendliche in Musterhausen-West“)
- Mischungen (Termine der DPSG St. Andreas)
Zudem dürften Veranstaltungen weiterhin eine hohe Sichtbarkeit genießen. Wenn nicht sogar zukünftig noch mehr! Bevorzugt sollte man diese mit dem Berufsprofil erstellen, und nicht mit dem Gemeinde-Account.
Dies alles hilft natürlich zuerst einmal Ortsgemeinden. (Erz-)Bistümer, Landeskirchen und Verbände werden andere Wege gehen müssen. Die evangelische Kirche im Rheinland testet beispielsweise ja auch das „gekaufte Taufgespräch“ via Facebook-Werbung und Facebook-Chat.
Hätte, wenn und aber: warten wir es ab!
Wir werden sehen, wie radikal die Kursanpassungen des sozialen Netzwerks tatsächlich für Kirchengemeinden ausfallen werden. Letztendlich gibt es kein Anrecht auf kostenlose Sichtbarkeit. Gemeinden sind aber gut damit beraten, schon jetzt die Weichen zu stellen für eventuelle Änderungen. Weil schaden wird es in keinem Fall…
Zusammenfassung: Infografik (gerne auch zum Downloaden + teilen)
Abspann:
Unterstützung bei der richtigen Facebook-Strategie gesucht?
Wir helfen Ihnen gerne auf dem Weg zur erfolgreicher Social-Media-Kommunikation! Das erste Beratungsgespräch ist sogar kostenlos! Schauen Sie sich doch mal auf unserer Seite um.
Weiterführende Links:
Hier geben wir Ihnen sieben Tipps, wie Sie Facebook in Ihrer Gemeindearbeit geschickt nutzen. Die meisten davon sind auch nach der neuen Facebook-Strategie weiterhin sinnvoll.
Und in diesem Beitrag zeigen wir durch eine Studie, welches Format in welchem sozialen Netzwerk besonders gut ankommt.
Hier finden Sie außerdem drei wichtige weitere Artikel von unseren Freunden von ChurchDesk:
- Facebook, ein wesentlicher Teil der Gemeindearbeit?
- So legen Sie eine Facebook-Seite für Ihre Gemeinde an
- #SmartChurch – wie das Internet Gemeindearbeit verändern kann
Dieser Beitrag wurde Ihnen präsentiert von der Werteagentur telos communication. Das Start-Up für gemeinnützige Kommunikation unterstützt besonders bevorzugt Kirchengemeinden auf dem Weg zu einer erfolgreicheren Kommunikation – getreu dem Leitspruch Gutes besser kommunizieren. Beide Gründer studierten vor Ihrem Wechsel in die Kommunikationsbranche selbst erfolgreich Theologie und kennen die kirchliche Kommunikation somit sowohl aus der Theorie als auch aus der Praxis. Mehr erfahren Sie unter www.telos-communication.de oder HIER auf diesem Blog.
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Titelbild von Igor Ovsyannykov via Unsplash
Gute Tipps, aber schwierig umzusetzen. Meine Erfahrung zeigt leider, dass die meisten Facebooknutzer sich lieber passiv und anonym verhalten und sich kaum zu Interaktionen motivieren lassen. Unsere Beiträge werden von mindestens 100 Leuten täglich angesehen, aber maximal 2-3 liken etwas, geteilt wird noch seltener.
Manchmal denke ich, die Leute wollen sich über diese Plattform nicht zu ihrem Glauben bekennen oder schämen sich vielleicht. Die Vorschläge mit den Videos mit Priestern usw. sind super?, leider gibt es da oft wenig Interesse oder Vorbehalte seitens der Seelsorger. Hatte dies schon öfters ohne Erfolg angeregt. Ich kenne bei Facebook nur eine Seelsorgeeinheit, die regelmäßig Videoimpulse sendet. Bevor hier immer wieder Tipps zur Gestaltung von FB-Seiten gegeben werden, sollten die Diözesen versuchen Ihre Priester davon zu überzeugen wie wichtig eine Präsenz der Gemeinde in den sozialen Medien ist ! Solange von dieser Seite kein Verständnis vorliegt, ist jegliches Engagement fast schon sinnlos.